Schaukasten

„Es geht darum, wie das, was du erlebt hast, Licht auf das werfen kann, was anderen widerfährt. Deine Geschichte ist ein Echo anderer Geschichten.“

 

Joanne Fedler über das biografische Schreiben

Old open magic book on wooden table with mystic bright light.

Die meisten meiner Kundinnen und Kunden schreiben für sich und für Ihre Liebsten: den Partner, Kinder und Enkelkinder, enge Weggefährten und Freunde.
Als „Schreibbegleiterin“ bin ich ehrfürchtiger Zaungast ihrer Erinnerungen.
Umso dankbarer bin ich, wenn ich Auszüge aus den Lebensgeschichten, die ich begleitet habe, an dieser Stelle teilen darf.
Willkommen im „Schaukasten“. Treten Sie heran. Seien Sie achtsam. Erfreuen Sie sich mit.
Und wenn Sie mögen, schicken Sie mir einen Kommentar zu den Schaukastengeschichten.
Gerne leite ich diesen an den jeweiligen Geschichtenschreiber weiter.

Wilhelms Geschichte

Wer die eine große Geschichte seines Lebens konservieren möchte, erzählt zwangsläufig von den Höhen und Tiefen gelebter Tage. Von seinem „tiefsten Fall“ – im wörtlichen wie im übertragenden Sinn – wollte auch mein Kunde Wilhelm berichten.
Ein Sturz aus sechs Metern Höhe teilte seine Lebensgeschichte in ein „Davor“ und ein „Danach“. Wie steht man auf, wenn selbst die Erinnerung an ein Aufstehen unwiederbringlich verloren scheint?
Das beantwortet Wilhelm Wortberg in „Wenn Alpträume Wirklichkeit werden“.

Im Folgenden ein kurzer Auszug:

Bad Arolsen, Tinnitus-Klinik, Juni 1996

„Wer sein wahres Ich erfahren will, muss den Himmel der verklärten Blicke über sich aufreißen.“

War es nur ein Traum? War es Wirklichkeit?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nur, dass ich alles, was an jenem 22. Juni 1993 geschah, erst 1996 in der Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen während einer Cranio-Sacral-Therapie durchlebte.
Cranio-Sacral-Therapie war in Europa zu diesem Zeitpunkt eine kaum bekannte Behandlungsmethode. Die Therapeutin hatte ihre Kenntnisse in den USA erworben.
Durch die Schwere meiner Rückenverletzung und der damit verbundenen extremen Stauchung des Wirbelkanals benötigte sie wesentlich mehr Sitzungen als sonst üblich.
Fieber und Schüttelfrost waren unerklärliche Begleiterscheinungen der Therapiestunden. Der Körper bäumte sich auf, die Extremitäten schlugen reflexartig wild und hart aus und schienen meinen Rücken zu zerreißen.
Der Kopf explodierte wie unter einem gezündeten Sprengsatz. Die Ohren peitschten mit über 9000 Hertz bei einhundert Dezibel durch den Schädel.

Ich bemerkte ein feines, vibrierendes Kribbeln, welches sich vom Hinterkopf über die Wirbelsäule bis zum Steiß hinzog. In immer schneller werdenden Rotationsbewegungen wurde ich vor meinem geistigen Auge zunehmend in eine Drehbewegung versetzt.
Plötzlich sah ich den ganzen, bisher tief vergrabenen Tag wieder vor mir und durchlebte ihn in allen Situationen. (…)

 

Aus: Wilhelm Wortberg, Wenn Alpträume Wirklichkeit werden, 2022.