Auf Streifzügen
Ein Weihnachtsgeschenk für andere wird heute auch mein Weihnachtsgeschenk.
Ich durfte ein biografisches Projekt zum Abschluss bringen, das mich sehr berührt hat.
Wie fasst man 60 Jahre Liebe zusammen?
Auf 10 Seiten mit je 15×15 Zentimetern?
Das war der Wunsch von M und J.
Und die Vorgabe für unsere Zusammenarbeit.
Zum ersten Mal begleitete ich ein Paar in der Biografiearbeit. Im Erstgespräch hatte ich mich auf kritische Nachfragen zu dieser Herausforderung eingestellt. Etwa: „Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit zu zweit beziehungsweise zu dritt vor? Wie bekommt jede Stimme Ausdruck? Wie finden wir gemeinsame Worte?“
So etwas in der Richtung.
Doch J fragte mich nur, ob ich Erfahrungen darin hätte, Geschichten des Glaubens zu schreiben.
„Nein“, antwortete ich ehrlich, „aber ich weiß, wie man Geschichten des Herzens aufs Papier bringt.“
Ein Nicken. Ein Handschlag. Viele Worte brauchte es dann nicht mehr.
Auch nicht für unser gemeinsames Projekt.
Wir gestalteten ein Erinnerungsbuch für zwei Töchter und drei Enkelinnen.
Wir nahmen uns viermal eine Stunde Zeit.
Wir stöberten durch Fotoalben, fanden Erinnerungsstücke und lasen alte Texte neu.
Wir erzählten, hörten zu, stellten Fragen, suchten Antworten.
Wir waren „auf Streifzügen“, wie es die beiden für den Titel formulierten.
Am Ende reichten uns für 60 Jahre 1000 Wörter.
Auf 10 Seiten wird der Rückblick zur Essenz zweier Leben.
Unweigerlich lädt mich diese ein, mich zu fragen, wie mein (unser?) Erinnerungsbuch aussehen wird.
Welche meiner Orte waren so wichtig, dass sie sich auf mehreren Seiten entfalten?
Welche Namen außer den eigenen zählen zu 1000 Wörtern?
In welchem Jahr war mein Leben so dicht, dass es eine ganze Seite bekommen muss?
Und was bleibt von mir, von uns? Was war wirklich wichtig?
„Wir kamen zum Glauben“, formulierte M häufiger in unseren Gesprächen.
Und wenn ich zu Hause tippte, was wir erarbeitet hatten, ergänzte ich in meinen Gedanken:
„Sie kamen zur Liebe.“
In all ihren Facetten: Liebe zu Gott. Liebe zum Partner. Aber auch Liebe zu den Generationen vor ihnen, zu den Kindern, zu Freunden, zur Gemeinschaft und zu sich selbst.
Und am Ende habe ich wohl doch eine Geschichte des Glaubens begleitet.
Und sie wird mich begleiten. Durch die anstehenden Weihnachtstage, bis in das kommende Jahr und darüber hinaus. Da bin ich mir sicher.
Mein Weihnachtswunsch für Sie und mich: Lassen Sie uns mehr dieser Geschichten teilen.
In Dankbarkeit und Vorfreude im Dezember 2024
Annika Ginau